ATTENZIONE! ITALIEN FÜR FORTGEFAHRENE

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Platten mit direkt vier Löchern: einer. Sturz:einer. Nächtliche Fahrt auf einer Bundesstrasse:eine. Verweigerter Zutritt auf eigentlich geöffnetem Campingplatz:einer. Angeführter Autokorso auf der Autobahn:einer. Englisch sprechende getroffene Italiener:keiner. Italiener die trotzdem mit uns  gesprochen haben(italienisch):alle.  Auf Anhieb sympathische getroffene Italiener:nicht alle. Auf Anhieb sympathische getroffene autofahrende Italiener:alle.

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Ziemlich fertig und in der Hoffnung, die schlimmsten Italiener kennengelernt zu haben, verließen wir  morgens um halb 9 die Fähre und wollten erstmal schlafen. Also suchten wir im Internet nach einem günstigen Bed & Breakfast, um den fehlenden Schlaf nachzuholen. Unsere Wahl fiel auf ein 8 Kilometer enferntes B&B, das auf unserem Weg lag, nicht zu teuer war und noch ein Zimmer frei hatte. Leider ging unser Plan, mal schnell dort hinzu fahren und Kraft zu tanken so nicht auf. Die 8 Kilometer wurden – und nicht nur wegen unserem körperlich sehr beeinträchtigten Zustand- zu einer echten Herausforderung: ein stetiges bergauf-bergab-Spiel wurde uns mehr und mehr zum Verhängnis, die Berge immer Steiler und unsere Witze immer flacher. Zuerst versuchten wir uns mit dem allseits bekannten Nach müde kommt blöd Humor über Wasser zu halten, stiegen nach dem gefühlt  hundertsten Berg um zu „Aber die Landschaft ist toll. Echt toll.“ und ich versuchte irgendwo zwischen Müdigkeitskichern und Schwächeanfall auf den Beinen zu bleiben.

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Marc versuchte unermüdlich,mich verbal zu animieren. Das Navi führte uns weg von den Straßen über Schotterwege und Steilhänge, die uns immer langsamer vorankommen ließen.

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Als wir endlich kurz vorm Ziel waren, konnten wir es nicht glauben: die Hälfte an Höhenmetern durften wir wieder steil hinabfahren. Die Pension lag einsam an einem Hang. 300 Meter bis zur Pension: BÄM. Mein Vorderreifen platzte und ich wäre fast mit Marc zusammengecrasht. Einen Platten so kurz vor dem Ziel. Wir mussten den Platten flicken, um weiterzukommen. Beim Reifen Auseinandernehmen die Überrasschung: mein Schlauch hatte gleich vier Löcher, die wir reparieren mussten.

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Völlig entkräftet und verschwitzt kamen wir dann mittags endlich an, fielen ins Bett und schliefen. Aus einer Nacht wurden zwei und so konnten wir  wieder völlig hergestellt Richtung Livorno weiterradeln.

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Wir fuhren an der Küste entlang Richtung Rimini und genossen die ebenen Strecken.

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Um dorthin zu gelangen, mussten wir zuerst noch ein paar Kieswege und Hügel überwinden und dann 20 Kilometer auf einer stark befahrenen Bundesstrasse fahren, was uns etwas Kopfschmerzen bereitete. Zu unserer Überraschung war dies aber überhaupt kein Problem (im Gegensatz zu dem feuchten Sand/Kies, der Marc zu einem kleinen „Ausrutscher“  zwang:) die Italiener sind sehr rücksichtsvolle und fahrradfreundliche Autofahrer.

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An der Küste angelangt dankten uns zwar die Beine die entspannte Strecke, landschaftlich konnte man sich Schöneres vorstellen.

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Marc und eine echt heisse Schnecke.

Da die Bade-und Urlaubssaison vorbei war, bekamen wir am Strand entlang kaum eine Menschenseele zu Gesicht und die Tourifallen waren mausetot. Geschlossene Bars, Hüpfburgen, verschanzte Spielplätze und Shops reihten sich inmitten leeren und nicht sehr sauberen Strandabschnitten. Der übliche Sonne, Sommer, Strand Charme wich einem Westernfilm-Feeling kurz vor dem Eintreffen der bösen Jungs in der Stadt. So fuhren wir etliche Kilometer bis wir im Dunkeln im nächsten Bed&breakfast empfangen wurden.

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Leider sprach die Gastgeberin kein Englisch, was aber Dank geübter Hand-Fuß-Fuchtel-Kommunikation kein Problem war. Am nächsten Tag fuhren wir 75 Kilometer bis nach Rimini, um von dort mit dem Zug nach Livorno zu kommen. Grundsätzlich ist es kein Problem, in Italien mit Fahrrad in Regionalzügen  zu fahren, es haben nur nicht alle ein Fahrradabteil. Wir hatten Glück und mussten bei viermal Umsteigen nur ein einziges Mal auf ein Fahrradabteil verzichten.

Um 23:30 Uhr kamen die Fahrräder und wir heil in Livorno an und wir entschieden uns  einen Campingplatz in der Nähe vom Hafen aufzusuchen. Das Problem: wir mussten ungefähr 15 Kilometer auf einer Schnellstrasse zurücklegen, um dort hin zu gelangen. Marc fuhr mit voller Beleuchtung vorraus und ich setzte mir die Stirnlampe verkehrtherum auf und stellte sie auf „Blinken“. So konnte uns keiner übersehen und wir fuhren tapfer die nötigen Kilometer problemlos auf dieser Straße. Kurz vor 1 Uhr nachts erreichten wir den Campingplatz. Glücklich darüber, dass noch jemand an der Rezeption saß, winkten wir dem Herrn zu, er grüßte freundlich zurück und öffnete die Schranke. Innerlich sah ich mich schon die heiße Dusche genießend. Doch die Rechnung hatten wir ohne den Sicherheitsmenschen, der uns die Schranke öffnete gemacht. Dieser gab uns auf italienisch zu verstehen, dass die Rezeption erst morgen früh um 8 Uhr aufmacht, und wir so lange nicht reindürfen. Alle Versuche, Ihn davon zu überzeugen, uns sinnvollerweise reinzulassen und die Formalitäten dann morgens zu regeln, liefen ins Leere. Sein einziger Vorschlag war, wir sollen doch neben dem Campingplatz campen und  7 Stunden warten. Und so ging die Schranke wieder zu. Wir konnten es nicht so richtig fassen und wussten nicht, ob wir lachen oder heulen sollten. Natürlich blieben wir nicht bei diesem  Campingplatz und suchten uns nachts um halb 2 eine andere Unterkunft, notgedrungen das einzige Hotel, das noch offen hatte. Ein großes Resort, das eine Ladung voll halbwüchsiger Deutschen auf Abschlussfahrt beherbergte. Who the fuck is Alice?

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Unsere geliebten Fahrräder durften dafür mit uns aufs Zimmer.

Dort verbrachten wir die Nacht, um dann am nächsten Tag zum Fährenhafen zu fahren. Eigentlich kein Problem könnte man meinen, der Weg ist nicht weit und gebucht haben wir auch schon. Aber auch hier kam uns die italienische Art der Organisation in die Quere. Noch gutgelaunt fuhren wir an den Hafen, um unsere schon bezahlten Tickets abzuholen. Leider wusste weder der Infostand, die Küstenwache oder andere Fährentourenanbieter, wo genau sich unser Ticketschalter befinden sollte. Und leider sprach auch niemand englisch. Irgendwann wusste eine Dame, dass sich unser Schalter irgendwo im Industriegebiet bei den Containern befinden sollte. Wir waren nicht überzeugt, aber nach der doch sehr langen Rumfragerei und Fahrerei versuchten wir unser Glück. Wir fuhren also den Weg zurück und bogen ins Industriegebiet ab. Dort sah zunächst nichts wie ein typischer Ticketschalter aus. An der Adresse, die uns die Dame vom anderen Schalter angegeben hatte, schickte man uns in eine andere Richtung weiter. Langsam kamen wir uns verarscht vor. Wir fragten ein paar hundert Meter weiter bei der Hafenpolizei nach, und diese schickten uns wieder zurück an den Ort, von dem wir vor ein paar Minuten auch weitergeschickt wurden. Da hieß es dann plötzlich, ja hier gäbe es die Tickets, aber erst ab 16 Uhr. Es sammelten sich auch schon mehrere Autos, die mehr oder minder professionell verpackte Schrottwaren auf dem Dach transportierten. Vor dem Schalter wurde inzwischen eine Spendenbox für die neue Moschee aufgebaut. Englisch sprach hier schon gleich gar keiner. Und typische Touristen  wie uns gab es auch keine. Aus 16 Uhr wurde dann 17 Uhr und vor dem geöffneten „Ticketschalter“ sammelte sich eine Traube von Menschen, die wild mit  Reisepässen und Unterlagen fuchtelten. Es schien, als ob jeder noch seinen persönlichen Bestpreis mit dem Mann hinter dem Schalter aushandeln wollte. Türkischer Basar, Level 900. Als Marc nach 3 Stunden am Schalter dran war, gab man wieder die Auskunft, dass es hier keine Tickets gäbe. Erst auf nachdrückliches Bestehen auf die Tickets gaben sie diese raus. Wir waren inzwischen glücklich, überhaupt Tickets in der Hand halten zu können, denn wir hatten das Gefühl, jeder entscheidet hier nach Lust und Laune, wer wann und ob man Tickets bekommt. Man wies uns an, uns in die wartende Autoreihe neben der Straße einzuordnen. Wir fragten uns, ob wir heute je noch das Land verlassen würden, denn wir waren vom Hafen weit entfernt und eine Fähre gab es hier auch nirgendwo. Inzwischen war es ca 20 Uhr und wir waren schon leicht erledigt von der ganzen Aktion. Wir reihten uns brav in die Autoschlange und rätselten, bis ein Security kam, uns nochmals fragte, ob wir nach Barcelona wollten und auf unser Bejahen den Rädern jeweils einen Aufkleber verpasste. Also waren wir wohl soweit doch richtig. Er meinte dann in gebrochenem Englisch, dass wir gerne auch ganz vor in die erste Reihe fahren dürften. So fuhren wir also an den ganzen wartenden Autos vorbei vor in die erste Reihe und kassierten den ein oder anderen bösen Blick. Von einer Fähre war aber auch hier weit und breit nichts zu sehen. Wir standen immer noch mitten im Industriegebiet. Einer der anderen Securities fragte uns, ob wir denn wüssten, wo die Fähre sei. Er zeigte Richtung Meer. Ein Securitycar würde uns dorthin begleiten. Wir waren erleichtert, als tatsächlich ein Auto von der Fährenaufsicht mit einem grinsenden Fahrer angefahren kam. Wir grinsten zurück, als er den Daumen hob und uns zu verstehen gab, dass wir das hinbekommen. So ganz sicher war ich mir nur nicht, was das werden würde. Wo genau fahren wir hin? Und fahren alle Autos hinter diesem Auto her – also hinter uns ?? Bevor ich mir panikmachende Gedanken machen konnte, setzten wir uns schon in Bewegung. Ich sah durchs Auto auf den Tacho des Fahrers. 28 km/h , soweit kein Problem für uns. Wir mussten grinsen. Hinter uns circa 60 Autos, die alle nur so schnell fahren konnten wie wir es vorgaben. Und vor uns der immer breiter grinsende Security. Mein Grinsen verschwand ziemlich schnell, als ich sah wo wir hinfuhren. Richtung Autobahn. Was? Ehe wir uns versahen, strampelten wir die Auffahrt hoch und fuhren unsere 28 km/ auf der Autobahn. Wir strampelten uns inzwischen echt einen ab und ich fragte mich, in wieviel Sekunden ich ohnmächtig würde, da kam nach 4 Kilometern  die Erlösende Ausfahrt. Der Securitywagen fuhr raus und stopppte extra, damit die zwei radelnden Tomaten in Ruhe und save die letzten 200 Meter zur Fähre fahren konnten.

Skizze zur Veranschaulichung.

Skizze zur Veranschaulichung.

Dort wurden wir von fröhlichen anderen Gästen winkend und jubelnd empfangen, die alle höchst amüsiert waren, dass wir gerade von der Autobahn runterkamen.  Auch wir waren erleichtert, als wir die Auffahrt der Fähre hochfuhren und einen Platz für die Fahrräder zugewiesen bekamen. Mit roten Backen folgten wir dem Stuart, der uns in unsere diesesmal  gebuchte Kabine führte. Dort fielen wir in die Betten und durften erstmal die Nacht durchschlafen. Den folgenden sonnigen Tag verbrachten wir damit, auf der Fähre zu spazieren, die Waden zu lockern, den wild gewordenen Vogel aus unserer Kabine zu bekommen, Fotos für die Internetseite zu sortieren und uns auf Barcelona zu freuen. Unsere einwöchige Durchreise durch Italien war geprägt von chaotischen Ereignissen, guten Erfahrungen auf der Straße, weniger guten Erfahrungen was Organisation und Flexibilität der Italiener angeht und Training unseres Nervenkostüms. Alles in allem freuten wir uns sehr auf Spanien. Wie uns die Katalonier im schönen Barcelona empfingen, folgt im nächsten Bericht!

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