KROATIEN TEIL1: DAS HINTERLAND

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Im ersten Teil berichte ich euch von dem uns bis dahin völlig unbekannten Hinterland Kroatiens, welches ein kontinentales Klima aufweist und somit dem süddeutschen Klima nahe kommt. Unsere Reise führte uns über Varazdin nach Zagbreb bis nach Karlovac.

Wenn ich früher an Kroatien dachte, lief der angenehme Film von Meer, schroffen Felsformationen und einsamen Buchten in meinem Kopf ab. Doch Kroatien kann auch anders – wie anders, stellten wir sehr schnell nach unserer Ankunft fest. Denn von mediterranem Flair war zunächst keine Spur. Felder, Wälder und unverputze Häuser prägten das Bild.

Grenzübergang

Grenzübergang von Slowenien nach Kroatien, bei Ormoz

So siehts aus im Hinterland

So siehts aus im Hinterland

Den Putz sparen sich viele Kroaten

Den Putz sparen sich viele Kroaten

Etwa nach 10 minütiger Fahrt durch das für uns neue Land, schlug uns eine gewaltige schwarze Rauchwolke entgegen. Vor einer Sinti und Roma Siedlung verbrannten Kinder munter Autoreifen direkt am Straßenrand. Judi wollte schnell weg und ich natürlich ein Foto schießen. Vielleicht nicht die beste Idee. Denn als ich meine Kamera wieder in meiner Lenkertasche verstaut hatte um ebenfalls weiterzufahren, hörte ich Steine an meinem Kopf vorbeifliegen. Was soll ich sagen, am liebsten wäre ich natürlich abgestiegen und hätte die „Rotzaffen“ an ihren Ohren zu ihren Eltern gezogen. Allerdings war ich der Meinung, dass das wohl eher mit noch mehr Ärger enden würde und so fuhr ich fluchend weiter. Ich möchte an dieser Stelle natürlich niemanden verunglimpfen und in ein schlechtes Licht rücken! Aber…

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Rauchwolke vor der Sinti Roma Siedlung kurz nach der Grenze

Entlang einer langen Geraden fuhren wir in die Stadt Varazdin, welche etwa 20km hinter der Grenze liegt und eine wunderschöne Altstadt bietet. Dort angekommen, informierten wir uns ganz tourilike an der Touristeninformation nach Unterkünften in der Stadt. Denn wie es der Zufall so wollte, regnete es wieder einmal und wir hatten wenig Lust uns ein Plätzchen fürs Zelt zu suchen. In der Pension Mardar wurden wir fündig und bezogen für 40€ die Nacht ein Zimmer. Später am Abend erkundeten wir noch die Altstadt zu fuß, auch bei Regen.

Straße nach Varazdin

Straße nach Varazdin

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Innenstadt Varazdin

Burganlage in Varazdin

Burganlage in Varazdin

Da der nächste morgen ebenfalls mit Regen aufwartete und laut Wetterbericht an diesem Tag keine Besserung in Sicht war, beschlossen wir eine weitere Nacht in der Pension zu verbringen.
Dann aber, nach zwei Nächten in Varazdin zuckten uns die Waden und wir wollten weiterfahren. So fuhren wir gegen 9 Uhr Richtung Zagreb ab. Der Hotelbesitzer gab uns noch den Rat, wir sollten die alte Straße nach Zagreb nehmen. Kaum Verkehr und wenig Anstiege meinte er. Als wir die alte Straße dann sahen, entschieden wir uns, dem Rat nicht zu folgen. Denn der Verkehr war wirklich heftig: Autos und LKW’s soweit das Auge reichte. Ich hatte ohnehin bereits eine andere Strecke geplant und so fuhren wir weiter auf einer Nebenstraße. Nach 35 km merkte ich dann, dass ich noch den Zimmerschlüssel in der Hosentasche hatte und wir vergessen hatten unsere Ausweise an der Rezeption zurück zu verlangen. Vor lauter Tipps für unsere Weiterfahrt hat der Pensionschef bei dem wir auscheckten und wir selbst den Überblick verloren. Das hieß für uns natürlich zurück nach Varazdin radeln.

Zurück in der Pension empfing man uns mit einem freundlichen und etwas verlegenem Grinsen. Denn auch hier hatte man bereits bemerkt, dass wir zwar mit Zimmerschlüssel aber ohne Ausweise nach Zagreb unterwegs waren. Wir erfuhren, dass der Chef uns noch mit dem Auto hinter fuhr, uns aber nicht gefunden hat. Klar, da wir ja nicht seiner Empfehlung gefolgt waren.
Wir wurden eingeladen eine weitere Nacht in der Pension zu verbringen, aber diesmal kostenlos! Da ließen wir uns nicht zweimal bitten und trugen unsere Sachen wieder auf das Zimmer. Den Schlüssel hatte ich ja noch in der Tasche.

Dann nach der dritten Nacht in Varazdin ging es tatsächlich weiter für uns. Die Nacht durch hatte es erneut ohne Unterlass geregnet und so sahen wir beim Verlassen der Stadt viele Kroaten, die damit beschäftigt  waren ihre Keller auszupumpen.
Diesmal folgten wir dem Tipp und fuhren auf die „alte Straße“ von Varazdin nach Zagreb. Wie sich herausstellen sollte, eine sehr schlechte Idee. Denn es folgten 60 km neben unzähligen Autos und LKWs. Radwege gibt es in Kroatien nur in größeren Städten und so wurde es zum Teil recht eng auf der Straße.

Bundesstraße kurz vor Zagreb

Bundesstraße kurz vor Zagreb

Auf eine Nebenstraße konnten wir nicht ausweichen, da diese in Kroatien meistens in einer Sackgasse enden und die einzelnen Dörfer und Städte nur mit Bundesstraßen verbunden sind. Wobei eine Bundesstraße in Kroatien aber eher aussieht wie eine Landstraße in good old Germany. Nur häufig eben mit dem Verkehr einer Bundesstraße bei uns.

Wir waren froh, als wir am Abend kurz vor Zagreb eine günstige Pension neben der Straße entdeckten und uns in ein sauberes Bett fallen lassen konnten. Wildcamping wäre hier ein schwieriges Unterfangen gewesen, da wir bereits zu nah an der Hauptstadt Kroatiens waren.

Pension kurz vor Zagreb

Pension kurz vor Zagreb

Am nächsten Tag rollten wir auf teils sehr guten, teils sehr schlechten Radwegen durch Zagreb, weiter in Richtung Mittelmeer.

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Zentrum Zagreb

Zagreb hat eine schöne Altstadt, die wir allerdings ausließen um zügig aus der Stadt und ihrem Speckgürtel heraus zu kommen. Ich fahr einfach nicht gern in Großstädten mit nem Reiserad durch die Gegend, viel zu viel Stress! Ampeln, Fußgänger und ein Haufen Verkehr.

Wir rollten aus der Stadt und da uns gegen Abend erneut eine dicke Regenwolke begleitete suchten wir abermals ein Zimmer für die Nacht. Diesmal wurden wir auch für 10€ pro Person fündig. Wir tranken noch ein zwei Pivo (Bier auf Kroatisch) welche hier sehr günstig in den vielen Bars zu haben sind. Zwischen 10 und 13 Kuna kostet hier ein halber Liter Gerstensaft. Und das bei einem Wechselkurs von 1 Kuna zu 0,13 Euro.

Unsere Unterkunft nach Zagreb in dem Ort Pisarova

Unsere günstige Unterkunft nach Zagreb in dem Ort Pisarova. Gemütlich? Kommt auf das Jahrhundert an!

Karlovac war unser nächstes Ziel. Doch nach 5 km fahrt war erstmal Ende. Die üppigen Regengüsse der Vortage ließen den Fluss Kupa über die Ufer treten was unsere Straße auf ca. 1 km Länge unter Wasser setzte. Wir versuchten mit unseren Rädern trotzdem weiter zu fahren und gaben auf, als wir beide bis zur Hüfte, unsere Fahrräder bereits tragend, im Wasser standen und sahen, dass es noch tiefer werden würde. Ein einheimischer der uns aus der Ferne zugeschaut hatte, berichtete uns dann später, dass wir eh keine Chance gehabt hätten, da der See zu dem unsere Strecke mutierte, an der tiefsten Stelle etwa zwei Meter habe.

Leider haben wir an dieser Stelle kein Bild von dem Hochwasser für euch, darüber Ärgern wir uns auch sehr! Aber hier gibts das Video :)!

Da wir doch nicht weiterkamen und die nächste Möglichkeit den Fluss Kupa zu überqueren 25km Flussabwärts lag, mussten wir unsere Route für diesen Tag ändern und insgesamt etwa 60km Umweg in Kauf nehmen um Abends völlig kaputt wieder auf unsere eigentliche Strecke zurück zu kehren. Dafür sahen wir aber einiges von Kroatien das uns sonst verbogen geblieben wäre. Vielleicht wäre es besser verborgen geblieben?!

Nach den ersten Kilometern auf unserem Umweg, empfingen uns fünf bellende und Zähne fletschenden Hunde auf der Straße. Eine alte Frau kam herbei, denen die Hunde offensichtlich gehörten, und schlug mit einem langen Stock nach den aggressiven Tölen um uns den Weg passierbar zu machen. 500m weiter das gleiche Spiel, nur diesmal ohne alte Frau mit Stock. Wir entschlossen uns, schnell an den Kötern vorbei zu fahren, was auch ohne Wadenbiss funktionierte. Nach dieser Aktion bewaffnete sich Judi ebenfalls mit einem Stock aus dem nächstgelegenen Wäldchen.

Judis Stock!

Judis Anti-Hunde-Abwehr-System: der Kilerstock!

Ich hingegen fuhr ohne Stock aber mit griffbereitem Pfefferspray weiter. Wie sich herausstellen sollte, brauchten wir aber unsere „Waffen“ für die restliche Strecke an diesem Tag nicht mehr.

Endlich erreichten wir unsere Brücke über den Fluss Kupa. Auch hier, überall Hausbesitzer die dabei waren ihre Häuser so gut es eben ging vor den Wassermassen zu schützen. Feuerwehr oder THW, Fehlanzeige. Für uns ging es kurz nach der Brücke auf einer Schotterpiste durch einen Wald weiter, rund 15km. Und mit jedem gefahrenen Kilometer wurde diese Piste beschissener. Wir passierten ein zur Hälfte verlassenes Dorf, das definitiv die besten Tage hinter sich gelassen hatte.

Die Piste

Die Piste

Dieses Haus hatte schon bessere Tage gesehen

Dieses Haus hatte schon bessere Tage gesehen

Unsere Laune hatte den Tiefpunkt erreicht und wir waren vom ständigen bergauf und bergab Fahren auch ziemlich platt. Wir wollten diesen Tag einfach nur hinter uns bringen und traten weiter in die Pedale, bis wir endlich wieder auf einer asphaltierten Straße ankamen auf welcher wir in das Örtchen Lasinja rollten. Es war 18:30 Uhr als wir in der dortigen Kneipe nach einem Zimmer für die Nacht fragten. Uns wurde gesagt, dass es hier im Ort nichts gäbe wo wir bleiben könnten. What? So fuhren wir zum Tante Emma Laden um die Eck und versuchten unser Glück erneut. Die freundliche Inhaberin des Ladens sprach zwar kein Englisch, geschweige denn Deutsch, verstand aber unser Anliegen sofort und zückte ihr Handy. Nach einer Minute, drückte sie mir dieses in die Hand und mich begrüßte in bestem deutsch Tanja. Tanjas Vater war in den 80ern Gastarbeiter in Deutschland, dort kam sie auch auf die Welt und lebte bei Dortmund bis sie 10 Jahre alt war.
Sie sagte mir sie kenne jemanden der Zimmer zum Vermieten habe aber die noch nicht ganz fertig seien und das sie dort für uns anruft. Wir sollten einfach an dem Tante Emma Laden warten, sie komme gleich mit dem Auto vorbei. Ich gab das Handy zurück, setzte mich mit Judi vor den Laden und drehte mir eine Zigarette. Diese hatte ich noch nicht ganz fertig geraucht als Tanja mit ihrem VW Polo auf den kleinen Parkplatz vor dem Laden fuhr. Sie begrüßte uns Herzlich, erklärte uns, dass wir ihr einfach folgen sollten, das mit dem Zimmer habe sie bereits abgeklärt und wir können dort gerne eine Nacht verbringen. Wir waren natürlich platt von der geballten Ladung Gastfreundschaft die uns da entgegen schlug.

Zu unserer Überraschung fuhren wir direkt zu der Bar in der wir eine halbe Stunde zuvor bereits nach einem Zimmer gefragt haben und bezogen direkt darüber unser Zimmer, bei dem alles bis auf eine Nachttischlampe komplett eingerichtet war und das uns für 10€ überlassen wurde. Man muss eben die richtigen Leute kennen! Wir kochten noch eine Ladung Spaghetti auf dem guten Benzinkocher und anschließend ging es direkt ins Bett.

Bar in

Bar in Lasinja

Am nächsten Morgen packten wir unsere Sachen, trugen alles die Treppe hinunter und da kam auch schon eine Frau aus der Bar auf uns zu um uns in perfektem Deutsch zu sagen, dass uns die Gastgeberin noch auf einen Kaffee einladen möchte. Wir ließen uns nicht lange bitten und folgten ihr in die Bar. Sie lieferte uns bei der Gastgeberin ab, übersetzte noch ein wenig, sodass wir uns mit der freundlichen Gastgeberin (Vesna) unterhalten konnten und verschwand. Als wir nach unserem Kaffee aufbrechen wollten, drückte uns Vesna noch ein Geschenk in die Hand, bestehend aus einer Flasche selbsterzeugten Likörs sowie Feuerzeugen und Kugelschreibern. Alles verpackt in so einer Geschenk Folie mit Schlaufe dran! Was soll ich sagen, Hammer!

(Bild Geschenk)

Wir rollten mit breitem Grinsen in Richtung Karlovac. Durchquerten die Stadt, wobei uns zum ersten Mal eine ganze Reihe von Häusern auffielen die noch vom Jugoslawienkrieg zum Teil beschädigt oder ganz zerstört waren.

Vom Krieg beschädigter Bahnhof, kurz vor Karlovac

Vom Krieg beschädigter Bahnhof, kurz vor Karlovac

Einschusslöcher vom Krieg, mitten in Karlovac

Einschusslöcher vom Krieg, mitten in Karlovac

Auch Minen gibt es noch eine ganze Reihe in Kroatien, besonders entlang der alten Frontlinien, wodurch es ratsam ist die Straßen gerade abseits von Siedlungen nicht zu verlassen. Laut der kroatischen Regierung geht aber entlang der Adriaküste, wo sich die meisten Touristen tummeln, keine Gefahr mehr von Minen aus. Auf jeden Fall ist die Minensituation im Hinterland ein guter Grund für uns auf das Wildcamping zu verzichten!

Wir fuhren durch Karlovac, hier gibt es eine Menge Radwege die zum Teil erst wenige Monate alt sind.

Karlovac Zentrum

Karlovac Zentrum

Allgemein kann man sagen, dass sich Kroatien auf jeden Fall bemüht seine Radfahrer in den Städten von der Straße zu bekommen. Aber da das Straßennetz im Vergleich zu Deutschland recht dünn ausfällt, und meist Bundesstraßen die einzelnen Dörfer und Städte verbinden, ist hier natürlich noch eine ganze Menge zu tun. Auf jeden Fall haben wir die kroatischen Autofahrer im Hinterland als Rücksichtsvolle und nette Zeitgenossen erleben dürfen. Oft wurde uns zum Gruß zu gehupt, was immer positiv gemeint war. Denn auch untereinander hupen sich die Kroaten einiges um die Ohren um Hallo zu sagen.

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Aufgenommen bei Karlovac

Wir durften auf unserer Tour einige Seiten des Landes kennenlernen und in den Genuss der kroatischen Hilfsbereitschaft sowie Gastfreundschaft kommen. Sahen die verblassenden Zeichen des Krieges und ein Land das sich definitiv Anfühlt wie Europa!

Im zweiten Teil erzählen ich euch dann wie wir von Karlovac über 1000 Meter hohe Berge auf die Insel Krk geradelt sind.

Sonnenuntergang bei Karlovac

Sonnenuntergang bei Karlovac

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